In direkten Briefen und Anrufen an die Gemeindeverwaltung sowie in Leserbriefen im Schwabacher Tagblatt haben mehrere Bürger im Zusammenhang mit den Kosten für die Modernisierung des Abwassersystems offene Fragen artikuliert und Kritik geäußert.
Die Thematik ist sehr kompliziert und gleichzeitig für die Bürger ärgerlich, weil sie zahlen müssen. Ich kann einen gewissen Unmut schon verstehen, aber wir kommen nicht drum rum“, meint Bürgermeister Wolfram Göll. „Auch ich habe überhaupt keine Lust, den Bürgern in den Geldbeutel zu greifen. Ich bin aber gezwungen dazu.“
In der Gemeinde Kammerstein sind jüngst alle Grundstücks- und Geschossflächen neu vermessen worden. Auftraggeber war die Gemeinde Kammerstein, ausgeführt wurde die Neuvermessung vom renommierten Kommunalberatungs-Büro Dr. Schulte / Röder aus Veitshöchheim, das für zahlreiche Gemeinden in ganz Bayern tätig ist und in Kammerstein seit vielen Jahren auch die regelmäßigen Berechnungen der Abwassergebühren durchführt.
Die Neuvermessungen dienen einer Globalberechnung. Diese ist insbesondere die Grundlage für die Umlage-Berechnungen der Verbesserungen und Modernisierungen des Abwassersystems. Nötig waren die Neuvermessungen, weil der tatsächliche Gebäudebestand nicht vollständig mit den genehmigten Planungen übereinstimmt, die der Gemeinde vorliegen. Außerdem werden teilweise auch Gebäude in die Berechnung einbezogen, die genehmigungsfrei sind.
Bei einer sehr gut besuchten Informationsveranstaltung am 18. Juli im Bürgerhaus wurden alle Themen rund um die Neuvermessung und die anstehenden Verbesserungsbeiträge angesprochen. Geschäftsführer Michael Schulte vom Fachbüro Dr. Schulte / Röder beantwortete ausführlich alle Fragen, die gestellt wurden – auch mit Erklärung der entsprechenden rechtlichen Grundlagen und Begründungen der Maßnahmen und Berechnungen. Nach der Informationsveranstaltung standen Mitarbeiter des Büro Schulte/ Röder den Bürgern noch drei Tage lang für individuelle Fragen der Neuvermessung im Bürgerhaus zur Verfügung.
Die Zuschriften und Leserbriefe zum Thema zeigen allerdings, dass doch noch einige Fragen offen sind. Zumal natürlich auch nicht alle Bürger der Gemeinde zu der Info-Veranstaltung ins Bürgerhaus kommen konnten. Insbesondere scheint der grundsätzliche Unterschied zwischen den laufenden Kosten, die nach eingeleiteter Abwassermenge verrechnet werden, und den Investitionen in die Verbesserung des Abwassersystems nicht bei allen angekommen zu sein. Daher hier nochmals die wichtigsten Grundlagen:
Nach Art. 62 der Bayerischen Gemeindeordnung ist die Kommune dazu verpflichtet, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen aus besonderen Entgelten zu beschaffen. Das bedeutet, dass die Finanzierung der leitungsgebundenen Einrichtungen aus Beiträgen (Art. 5 Kommunales Abgaben-Gesetz, KAG) und Gebühren (Art. 8 KAG) zu erfolgen hat.
Laufende, mengenabhängige Gebühren: Die Benutzungsgebühren – also die laufenden Kosten – werden für die tatsächliche Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung erhoben. Die hier umzulegenden Kosten umfassen zum Beispiel die kalkulatorischen Kosten, wie die Abschreibungen und Verzinsungen des Anlagevermögens, dann die Kosten des Betriebs, beispielsweise des Betriebs der Pumpen, sowie der Unterhaltung und der Verwaltung. Es sollen folglich die laufenden Kosten des Einrichtungsbetriebes über Gebühren finanziert werden – das erfolgt auch in Kammerstein.
Alle diese Kosten, die im Verwaltungshaushalt anfallen, wie Reparaturen und Betriebskosten, werden vom Gebührenpflichtigen in dem Umfang bezahlt, wie er die Einrichtung in Anspruch nimmt. Weil es in der Gemeinde Kammerstein bislang keine gesplittete Abwassergebühr gibt, erfolgt das nach dem Maßstab der abgeleiteten Abwassermenge. Eine Berücksichtigung des Regenwassers findet in der Gebühr noch nicht statt.
Investitionen in die Modernisierung des Abwassersystems: Hingegen können die Kommunen für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung der Einrichtung Beiträge erheben. Weil die Einrichtungseinheit einen Grundwert hat und den Grundstückseigentümern einen Vorteil bietet – in Form eines erschlossenen Grundstückes – muss folglich jeder Neuanschließer auch einen erstmaligen Herstellungsbeitrag leisten. Der „Vorteil“ ist immer grundstücksbezogen.
Die Vorteile, die die Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigten aus der hergestellten oder verbesserten öffentlichen Einrichtung ziehen können, lassen sich nicht der „Wirklichkeit entsprechend“ messen. Die Rechtsprechung hat deshalb anerkannt, dass ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab angewendet werden kann. Dieser muss gewährleisten, dass die geschuldeten Beiträge den aus der öffentlichen Einrichtung gezogenen Vorteilen in etwa entsprechen (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof/BayVGH, Beschluss vom 17.4.1986 – 23 CS 85 A. 2631.). Die Geschossfläche der vorhandenen Gebäude stellt nach § 5 BGS/EWS den in Bayern am weitesten verbreiteten Beitragsmaßstab dar. Sie ist damit – neben der Grundstücksfläche – Berechnungsgrundlage für den Beitrag (vgl. Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Teil IVa, Frage 26, Punkt 1).
Entscheidung über Art der Refinanzierung liegt beim Gemeinderat: Der Einrichtungsträger, also die Gemeinde, hat ein Ermessen, ob er die Investitionen in den Verbesserungs- und Erneuerungsaufwand vollständig über laufende Gebühren (Möglichkeit 1) oder vollständig über Beiträge (Möglichkeit 2, einmalig oder in jährlichen Raten) oder auch teilweise über Beiträge und teilweise über Gebühren (Möglichkeit 3) verrechnet.
Michael Schulte vom Büro Dr. Schulte / Röder betont: „Aus der Erfahrung heraus lässt sich sagen, dass Verbesserungs- und Erneuerungsbeiträge umso mehr in Erwägung gezogen werden sollten, je kleiner die Einrichtungen sind.“ Bei der Finanzierung von Investitionskosten haben demnach Beiträge gegenüber Gebühren folgende Vorteile:
- Es werden auch unbebaute, jedoch bebaubare Grundstücke mit herangezogen („Enkelgrundstücke“). Diese unbebauten und daher nicht angeschlossenen Grundstücke werden über Gebühren nicht belastet. Dies entspricht nicht den Grundsätzen der Vorteilsgerechtigkeit, denn der Erschließungsvorteil liegt auf dem Grundstück und kommt dem Grundstückseigentümer zugute, der durch die Erschließung einen Bauplatz mit teils drastisch steigendem Wert vorhält und nicht mehr nur eine „grüne Wiese“ hat.
- Auch die Eigentümer von Zweitwohnungen werden über den Geschossflächenbeitrag angemessen an dem Vorteil für die Grundstücke beteiligt.
- Alle Beitragseinnahmen führen dazu, dass der Abschreibungsbedarf sinkt. Dies hat wiederum zu Folge, dass für den über Verbesserungsbeiträge finanzierten Anteil der Einrichtung keine Zinsen bezahlt werden müssen. Die Gebühren werden somit über die Abschreibungsdauer weniger stark belastet.
- Schließlich werden die Wasser- und die Abwassergebühren in Zukunft ohnehin steigen. Gründe hierfür sind:
- die steigenden Betriebs- und Unterhaltskosten der Anlagen, beispielsweise aufgrund erhöhter Strom- und Gaspreise sowie die erhöhten Kosten für Bauleistungen,
- technische Reaktionen auf den Klimawandel und damit verbundene Starkregenereignisse und die Ableitung dieses Oberflächenwassers,
- der Ausstieg aus der landwirtschaftlichen (stofflichen) Verwertung von Klärschlamm und die Verteuerungen im Rahmen der thermischen Verwertung von Klärschlamm,
- das ökologisch sinnvolle und erstrebenswerte Wassersparen, das allerdings die Verteilermasse in der Gebührenkalkulation sinken lässt.
- Verbesserungsbeiträge sind also die einzige Möglichkeit, diese Aufwärtsspirale für ein Maßnahmenpaket aufzuhalten.
- Gelegentlich wird gegen eine Erhebung von Verbesserungsbeiträgen eingewandt, diese könnten nicht auf die Mieter umgelegt werden. Dem lässt sich aber gerade entgegenhalten, dass die verbesserte leitungsmäßige Erschließung für ein Grundstück gerade dazu dient, das Grundstück nachhaltig erschlossen zu halten. Dieser Vorteil kommt mehr dem Eigentümer zugute, dessen Mieteinnahmen durch eine intakte Infrastruktur langfristig abgesichert werden. Für den Mieter, der ja auch wechselt, steht der laufende Verbrauch im Vordergrund. „Gerecht“ sind solche Verbesserungsbeiträge also durchaus.
Gebührenfinanzierung kommt langfristig sehr teuer: Dazu kommt, dass im Falle eine Gebührenfinanzierung die Gebühren über einen langen Zeitraum erheblich belastet würden, und zwar über den vorgeschriebenen Abschreibungszeitraum der Abwasseranlage, das sind im Durchschnitt 40 Jahre. In dieser Zeit kommt eine Zinszahlung hinzu, die derzeit 2,85 Prozent pro Jahr beträgt – das ist der Durchschnittszins der letzten 40 Jahre. Summa Summarum kommen die Bürger bei einer Zahlung über Gebühren auf eine wesentlich höhere Belastung als bei Beitragszahlung. Der Gemeinderat muss bei seiner Entscheidung also auch die mögliche Belastung der künftigen Generationen bedenken.
Gerechnet über 40 Jahre ist die Belastung bei Gebührenfinanzierung beinah doppelt so hoch wie bei Beiträgen. In einer Beispielrechnung eines typischen Einfamilienhauses, die auch bei der Info-Veranstaltung am 18. Juli vorgerechnet wurde, macht das 6120 Euro bei 100-prozentiger Gebührenfinanzierung statt 3281 Euro bei Beitrags-Finanzierung. Künftige Zinssteigerungen sind hier noch nicht eingerechnet.
Insgesamt geht es bei den Verbesserungen der Abwassereinrichtung Barthelmesaurach um Kosten von rund 4,39 Millionen Euro. Diese wurden zum großen Teil bereits seit mehreren Jahren von der Gemeinde vorfinanziert. Die größten Posten sind der bereits seit Jahren fertiggestellte Anteil am Bau des Aurachtalsammlers mit knapp 1,3 Millionen und der beinah fertige Umbau der Kläranlage Barthelmesaurach zu einem Pumpwerk mit unterirdischem Regenüberlaufbecken mit knapp 1,54 Millionen. Die weiteren Posten sind Schmutzwasser- und Regenwasserkanal Mildach samt Grundstücksanschlüssen mit zusammen knapp 70.000 Euro, Regenwasserkanal Rudelsdorf samt Grundstücksanschlüssen mit zusammen gut 370.000 Euro, die Mischwasser-Druckleitung zum Sammler mit knapp 350.000 Euro, Schmutzwasser- und Regenwasserkanal Hasenmühle mit zusammen knapp 390.000 Euro sowie der Anschluss an die Kläranlage Roth mit knapp 380.000 Euro.
Diese Gesamtkosten von 4,39 Millionen Euro gehen zu unterschiedlichen Anteilen und auf unterschiedliche Weise in die Berechnung ein, je nach Zweck und Charakter der betreffenden Einrichtung. Beispielsweise wird ein Teil der Kosten der Regenwasserkanäle, des Pumpwerks und der Druckleitungen zur Straßenentwässerung gerechnet. Diese Kosten der Straßenentwässerung von 1,07 Millionen Euro werden überhaupt nicht auf die Bürger umgelegt und bleiben bei der Gemeinde.
Hingegen gehören die Schmutzwasserkanäle sowie große Teile des Pumpwerks und der Druckleitungen zum Bereich Beseitigung von Schmutzwasser. Diese Kosten von rund 2,15 Millionen Euro werden auf alle aufgenommenen Geschossflächen der Abwassereinrichtung umgerechnet. Allerdings werden hier noch die Zuschüsse vom Freistaat im Rahmen der vielzitierten „RZWas“ abgezogen, so dass eine Summe von gut 1,5 Millionen Euro bleibt, die auf die Geschossflächen umgelegt wird.
Die dritte Kategorie der Einrichtungen dienen der Beseitigung von Niederschlagswasser außerhalb des Straßenentwässerung. Das sind im Einzelnen die Grundstücksanschlüsse sowie wiederum Teile der Regenwasserkanäle, des Pumpwerks und der Druckleitungen. Diese Niederschlagswasser-Einrichtungen summieren sich auf knapp 1,17 Millionen und werden auf die Grundstücksflächen der Abwassereinrichtung umgelegt. Auch hier wird die „RZWas“-Förderung abgezogen, bleiben noch 820.000 Euro.
Die Berechnungen haben ergeben, dass bei 100-prozentiger Finanzierung über Beiträge auf die Grundstücksflächen eine Belastung von 1,43 Euro pro Quadratmeter zukommt. Die Belastung der Geschossflächen beträgt 7,60 Euro pro Quadratmeter.
„Nun liegen die Zahlen vor, sie sind sauber durchgerechnet. Nun kann man sie veröffentlichen, und wir haben sie veröffentlicht“, betont Bürgermeister Wolfram Göll. „Voreilige Schätzungen, die beinahe zwangsweise falsch gewesen wären, wären absolut verfehlt und unangemessen. Das wird nun hoffentlich allen klar.“ Vor etwa einem Jahr hatten einzelne Bürger die Nennung von Zahlen gefordert und dem Bürgermeister vorgeworfen, er halte Informationen zurück.
Zurück zu Zahlen und Fakten: Modellhaft berechnet auf typische Durchschnitts-Anwesen ergäbe das eine Belastung von 3281 Euro für ein Einfamilienhaus mit einer Grundstücksfläche von 700 und einer Geschossfläche von 300 Quadratmeter. Für ein großes Anwesen mit 1000 Quadratmeter Grundstücks- und 350 Quadratmeter Geschossfläche müsste man mit 4090 Euro Belastung rechnen.
Ein kleineres Haus etwa im Altort mit 350 Quadratmeter Grundstücks- und 210 Quadratmeter Geschossfläche würde mit 2097 Euro. belastet werden. Ein landwirtschaftliches Anwesen mit 1500 Quadratmeter Grundstücksfläche und 500 Quadratmeter Geschossfläche käme dann auf 5945 Euro Verbesserungebeitrag.
Noch einige Hinweise:
- Die Zuschüsse vom Freistaat gemäß der vielzitierten „RZWas“ kommen ausschließlich den Bürgern zugute – und nicht der Gemeinde mit ihrem Straßenentwässerungsanteil.
- Der vereinzelt geäußerte Vorwurf, das Neubaugebiet „Alte Brennerei“ würde bei dieser Berechnung subventioniert, ist unzutreffend. Vielmehr hat das Büro Dr. Schulte/Röder 8575 Quadratmeter Grundstücksfläche und 2144 Quadratmeter Geschossfläche für das Neubaugebiet angesetzt – gemäß der Regel im Beitragsrecht, dass die Geschossfläche von unbebauten Grundstücke mit einem Viertel der Grundstücksfläche vorberechnet wird. Bei Bebauung wird dann genau gerechnet und nachgezahlt. Diese genannten Flächen erhöhen die Gesamtfläche der Abwassereinrichtung und senken damit die Belastung für alle einzelnen Bürger. Die Beiträge für diese Flächen werden vorläufig von der Gemeinde vorfinanziert und dann nach Bebauung von den neuen Bewohnern zurückgeholt – entweder als Verbesserungsbeitrag oder als erhöhter Herstellungsbeitrag, falls die Abrechnung dann bereits erfolgt ist.
- Einige Bürger haben die Stadt Abenberg als Vorbild genannt, die ihren Bürgern die Kosten für die Verbesserung der Trinkwasserversorgung in fünf Jahresraten in Rechnung stellt. „Ich orientiere mich immer gern an umliegenden Städten und Gemeinden. Allerdings hatten wir in der Tat von Anfang an von uns aus eine Zahlung in mehreren Jahresraten mit eingeplant und angeboten“, erklärt Bürgermeister Göll. In Abenberg liege der Fall übrigens etwas anders. „Die Arbeiten werden nach Auskunft der Abenberger Verwaltung erst in der Zukunft erledigt, auch das Tagblatt hatte das so beschrieben. Die Bürger leisten also eine Vorauszahlung. Wenn man das bei uns machen wollte, müsste man die Zeit zurückdrehen“, so der Bürgermeister. Die abzurechnenden Arbeiten in der Abwasseranlage Barthelmesaurach seien bekanntlich bereits zum größten Teil abgeschlossen. „Vorauszahlungen hätten also schon vor mehreren Jahren eingehoben werden müssen, was aber damals nicht erfolgt ist“, erklärt Wolfram Göll.
MS/wog